DBU-Präsident Michael John im Touch-Interview 27.03.2013(TOUCH Magazin)
Das Billard-Magazin Touch hat ein Interview mit dem neuen Präsidenten der DBU, Michael John, geführt, das in der gerade erschienenen Ausgabe März/April 2013 abgedruckt ist. Wir freuen uns, das Interview hier mit Genehmigung der Touch veröffentlichen zu dürfen.
[TOUCH] Die Touch gratuliert Ihnen zur Wahl zum Präsidenten der DBU, Herr John. [Michael John] Vielen Dank. Gefreut hat mich die große Zustimmung der Versammlung, die ebenfalls die neue Vizepräsidentin Yvonne Kampmann erhalten hat. Damit ist das DBU-Präsidium komplett, was für die Bewältigung der bevorstehenden Aufgaben äußerst wichtig ist.
Bei der Wahl auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DBU am 23.02.2013 erhielten Sie 100 % der Stimmen. Für die meisten Billardsportler/innen in Deutschland wie auch einen Großteil der Funktionäre sind Sie aber ein [noch] unbeschriebenes Blatt. Skizzieren Sie doch bitte zunächst Ihren bisherigen beruflichen Werdegang, damit wir Sie kennenlernen. Mein Studium der Betriebswirtschaft habe ich als Diplom-Kaufmann abgeschlossen und danach überwiegend in kaufmännischen bzw. Management-Funktionen gearbeitet, u.a. im Bau- und Immobilensektor, in der Entwicklungshilfe, als Sportdirektor des Deutschen Golf-Verbandes, als Geschäftsführer der Deutschen Golf-Sport GmbH, im Event- und Veranstaltungsbereich und die letzten zehn Jahre im Geschäftsbereich Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes. Als Leistungssportler war ich Leichtathlet, habe die A-Trainerlizenz Leichtathletik, habe als Leitender Landestrainer in Berlin gearbeitet, war Funktionsträger als Lehrwart in Berlin und Hessen, als 2. Vorsitzender im Berliner Landesausschuss Breitensport, Mitglied im Bundesausschuss Leistungssport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und der AG Leistungssport des Deutschen Schützenbundes und Lecturer für den Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF).
Welche Aufgaben hatten Sie beim DOSB? Zunächst hatte ich beim damaligen Deutschen Sportbund die Zuständigkeit für die Studien- und Strukturreform der Trainerakademie Köln als Mitglied in deren Vorstand, für die Belange des internationalen Spitzensports und für die Betreuung einiger nichtolympischer Verbände. Dies wurde sukzessive ergänzt durch die Übernahme der Koordinatorenfunktion für olympische Verbände wie Badminton, Tennis, Tischtennis, Schießen und Leichtathletik. Schließlich wurde mir als Fachgebietsleiter die Betreuung des gesamten nichtolympischen Spitzensports zugewiesen und weiterhin die Aufgabe des Wissenschaftsmanagements im Leistungssport übertragen, wozu u.a. die Vertretung des DOSB im Vorstand des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft und des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten gehörte. Dies mündete in die Bildung des Ressorts Wissenschaftsmanagement / Nichtolympischer Spitzensport, dessen Leitung ich bis zu meinem Ausscheiden innehatte. In dieser Funktion war ich auch der verantwortliche Leiter der deutschen Mannschaft bei den World Games 2005 in Duisburg und 2009 in Kaoshiung (Taiwan).
Wie sind Sie mit der DBU in Kontakt gekommen und was hat Sie dazu bewogen, sich trotz der Ihnen bekannt schwierigen Lage für das Amt des Präsidenten der DBU zur Verfügung zu stellen? Der Kontakt ergab sich aus der inzwischen 10jährigen Befassung für die Förderung der nichtolympischen Verbände. Dem damals für die Belange des Spitzensports im DSB zuständigen Bundesvorstand Leistungssport gehörte Wolfgang Rittmann an, der gleichzeitig Mitglied der Sprechergruppe der nichtolympischen Verbände (NOV) war. Mit ihm und seiner Kollegin aus dem Deutschen Rollsport und Inline-Verband wurde intensiv die Neuentwicklung der Fördersystematik für den nichtolympischen Spitzensport diskutiert. Daraus entwickelte sich ein ergiebiger Austausch, der mit seinem Ausscheiden aus dem Amt zum Erliegen kam. Erst im Zuge der Versäumnisse und Fehlleistungen des seinerzeitigen Präsidenten/Vizepräsidenten Finanzen und der dadurch auftretenden Probleme bei der Förderung der DBU ergab sich notwendigerweise eine intensivere Beschäftigung mit der DBU. Im Zusammenhang mit meinen Besuchen bei einigen Mitgliederversammlungen bin ich verschiedentlich angesprochen worden, für das Präsidentenamt zur Verfügung zu stehen. Nachdem ich meine berufliche Laufbahn beendet habe steht mir jetzt ein entsprechendes Zeitbudget für eine derartige Aufgabe zur Verfügung. In einem offenen, ausführlichen Gespräch mit Wolfgang Rittmann habe ich mich besonders nach dem überraschend kurzen Interregnum überzeugen lassen, dass eine Übernahme des Präsidentenamtes durch eine externe, unbelastete Person am ehesten dazu beitragen kann, die allseits vorhandene Verunsicherung, den eingetretenen Vertrauensschaden gegenüber vielen Förderpartnern und den wirtschaftlichen wie strukturellen Abwärtstrend in einem Turn-Around zum Positiven zu wenden.
Die DBU wurde nach dem Rücktritt von Hagen Goronczy von den beiden Vizepräsidenten Wilhelm Brandt [Sport] und Dietmar Zenner [Finanzen und Verwaltung] geleitet. Durch Ihre Wahl zum Präsidenten und die Wahl von Yvonne Kampmann zur Vizepräsidentin Marketing und Kommunikation ist das Präsidium der DBU nun wieder vollständig besetzt. Wie wichtig ist dieses Team für Sie – und die zukünftige Entwicklung der DBU? Ohne Teamarbeit läuft gar nichts. Wichtig ist der Einsatz Aller in ihren Zuständigkeitsbereichen für ein gemeinsames Ziel. Einzelkämpfer werden nicht so erfolgreich sein können wie eine Mannschaft, deren Mitglieder miteinander die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen anpacken und nach den bestmöglichen Lösungen suchen. Dabei darf das Präsidium trotz der notwendigen Führung des Verbandes nicht als abgehobenes Organ agieren, sondern muss einen wechselseitigen Kommunikationsprozess mit allen Verbandsgremien und -gliederungen herstellen. Dies bedeutet natürlich auch, dass die Landesverbände, die Billardsparten und die Vereine ihre Eigeninteressen zurückstellen und sich als organische und wichtige Einheiten eines Billardsports als Gesamtheit verstehen. Nur mit Einigkeit und Geschlossenheit (ohne Verzicht auf eine sachliche und durchaus unterschiedliche Diskussionskultur) wird verlorenes Terrain zurückzugewinnen sein.

Das neue Präsidium der DBU:
Wilhelm Brandt, Michael John, Yvonne Kampmann und Dietmar Zenner
Sehen Sie derzeit die Notwendigkeit oder auch Kandidaten für die immer lauter werdenden Rufe nach hauptamtlichen Mitarbeitern der DBU? Diese Frage stellt sich gegenwärtig nicht. Wir befinden uns leider nicht in der komfortablen Lage, über den derzeitigen Stand an hauptamtlich Tätigen hinaus weitere Mitarbeiter anzustellen. Dies wird sich erst dann ändern können, wenn eine tragfähige wirtschaftliche Konsolidierung der DBU gelungen ist und sich finanzielle Spielräume für kostenintensive Personalmaßnahmen zeigen. Allerdings sind ehrenamtlich tätige Funktionsträger durchaus in der Lage, mit großem Engagement ihre Aufgaben professionell wahrzunehmen. Diese werden jedoch zunehmend komplexer, bürokratischer und weitgehend verrechtlicht, so dass oft die Grenze der Belastbarkeit erreicht oder überschritten wird. Daraus und aus dem mit der Amtausübung verbundenen Haftungsrisiko entsteht zwangsläufig die Notwendigkeit, das operative und administrative Geschäft hauptamtlich abzuwickeln und die Ehrenamtlichkeit davon zu entlasten.
Worin sehen Sie vorrangig Ihre Aufgaben? Welche Ziele möchten Sie kurz- und mittelfristig für die DBU erreichen? Leider war zuletzt meine berufliche Befassung mit der DBU geprägt von einer latenten Krise, die schließlich offen ausbrach und eine Reihe von negativen, Existenz gefährdenden Konsequenzen für den Verband zur Folge hatte. Die Probleme bei der Bundesförderung und das in diesem Zusammenhang unseriöse Geschäftsgebaren haben zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei wichtigen Partnern wie dem DOSB, dem Bundesinnenministerium und dem Bundesverwaltungsamt geführt. Dies hat auch ausgestrahlt in die Bundesländer und in viele andere Bundesspitzenverbände. Der Image-Flurschaden ist beträchtlich. Vordringliche Aufgabe muss es daher sein, Vertrauen in die Seriosität der DBU aufzubauen und wieder herzustellen und von den Partnern in Sport, Politik und Wirtschaft anerkannt, akzeptiert und Wert geschätzt zu werden. Das Schiff DBU sollte schnellstmöglich die turbulenten Gewässer verlassen und sicheren, gradlinigen Kurs aufnehmen können. Mit der möglichen Wiederaufnahme der Bundesförderung verbessern sich automatisch die Bedingungen für den Billard-Leistungssport, dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit schließlich der Gradmesser für das Fördervolumen ist. Damit einhergehend ist das Vermarktungspotenzial des Billardsports neu auszurichten und auszuschöpfen. Bei dadurch geschaffenen stabilen Rahmenbedingungen ergeben sich Möglichkeiten für die Entwicklung des Sportbetriebes insgesamt, wie z.B. Stärkung der Attraktivität, Wahrnehmung in den Medien, Strukturierung des Ligensystems, Förderung der Kaderathleten und des Leistungssportnachwuchses, Beteiligung an internationalen Wettbewerben, Aus- und Fortbildung des Sportpersonals, Veranstaltungsentwicklung und -durchführung, Mitgliedergewinnung, Jugendförderung und nationale Promotionprogramme. Dies wird nicht in wenigen Monaten erreichbar sein, sondern muss Schritt für Schritt auf der Basis realistischer Konzepte angegangen werden.
Viele Sportler kritisieren die Informationspolitik der DBU und den mangelnden Bezug zu ihrem Dachverband und auch im Gegenzug des Dachverbands zur Basis. Wie möchten Sie hier Abhilfe schaffen? Der von mir angestrebte kontinuierliche Kommunikationsprozess wird für einen regelmäßigen Informationsaustausch sorgen. Dies ist aber beileibe keine Einbahnstraße, sondern funktioniert nur, wenn alle sich daran beteiligen und die dafür vorhandenen Möglichkeiten nutzen.
Die DBU wurde im vergangenen November durch die Verabschiedung des Haushaltes 2013 und die Umstellung des Beitragssystems finanziell [wieder] auf solide Füße gestellt – allerdings mit enormen Beitragssteigerungen für die Landesverbände, die diese Beitragsmehrbelastungen zum Großteil an die Vereine weitergegeben haben. Daraus resultierend kam es zur Gründung neuer Verbände, die das „sinkende Schiff DBU“ verlassen wollten. Die DBU stand im vergangenen Jahr am Abgrund. Die Etablierung eines Notvorstandes zeigt die Bedrohlichkeit der Lage. Ihm ist es zu verdanken, dass jahrelang Versäumtes aufgearbeitet, Fehlentscheidungen korrigiert, eine Planungsbasis hergestellt und die erforderliche Beschlusslage herbeigeführt wurde. Die Beitragserhöhungen waren zum Überleben des organisierten Billardsports in Deutschland unabweisbar. Sicher stellen sie eine enorme Belastung dar, die aber von den Landesverbänden solidarisch zu tragen ist, wozu sie sich erfreulicherweise auch bereit erklärt haben. Die vorgenommenen Kündigungen halte ich für kurzsichtig und nicht sonderlich hilfreich, schließlich bilden die Landesverbände mit ihren Vereinen die Deutsche Billard-Union, an deren Stärkung und nicht an deren Schwächung ihnen gelegen sein müsste. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die damals Verantwortlichen nur durch die Wahl der Mitgliederversammlung, also mit dem Votum der Delegierten der Landesverbände ins Amt kommen konnten.
Wie beurteilen Sie die Aussichten, dass die DBU wieder in die BMI-Förderung kommt und die Beiträge wieder gesenkt werden können? In dem Moment, wo die Voraussetzungen und Kriterien für eine Förderung durch den Bund erfüllt sind, d.h. die Förderungsfähigkeit gegeben ist, ist eine Wiederaufnahme der Förderung auch für 2013 möglich. Zunächst steht eine Prüfung der ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Verbandes an, die in den vergangenen Jahren nicht bescheinigt werden konnte. Ob eine erneute Bundesförderung zu einer Absenkung der Beiträge führen kann, muss zumindest solange offen bleiben bis die Sanierung der Verbandsfinanzen gelungen ist. Andererseits ist vielleicht jahrelang versäumt worden, die Verbandsbeiträge moderat den Gegebenheiten anzupassen.
Die Vermarktungsgesellschaft der DBU, die SMV GmbH, steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Welche Chancen sehen Sie, den Billardsport in Deutschland professioneller zu vermarkten und hieraus auch finanzielle Mittel zu generieren? Jeder gemeinnützige Sportverband hat schon aus steuerlichen Gründen eine Vermarktungsgesellschaft, die aus der Verwertung der Verbandsrechte positive Erträge erzielen soll und das wirtschaftliche Risiko dieser Unternehmungen zu tragen hat. Die SMV hat sich in letzter Zeit nicht durch sonderliche Erfolge ausgewiesen und negative Betriebsergebnisse produziert. Sie ist damit ein Sanierungsfall geworden, der schnellstmöglich einer Lösung bedarf. Diese könnte darin liegen, dass eine komplette Neuaufstellung stattfindet, die ein unbelastetes professionelles Wirtschaften ermöglicht. Potenziale sind im Billardsport – wenn auch in überschaubarem Maße – durchaus vorhanden.
Welche Visionen haben Sie bezüglich der Entwicklung des Billardsportes in Deutschland und somit auch für Deutsche Sportler im internationalen Vergleich? Muss hier nicht verstärkt im Jugendbereich gearbeitet werden? Für Visionen ist gegenwärtig keine Zeit, es geht erstmal ums Aufräumen und das Herstellen einer soliden Operationsbasis. Da ich noch nicht über ausreichende Kenntnisse über den Billardsport verfüge, wäre es vermessen, Planungen, Konzepte und Ziele zu beschreiben, die einer Überprüfung in der Realität nicht standhalten. Das gesamte Präsidium, das gerade in den einzelnen Ressorts über Sachverstand und Kompetenz verfügt, wird sich dieser Aufgaben annehmen, um dem deutschen Billardsport einen Platz in der internationalen Spitzengruppe zu sichern und die Jugend, die das sportliche Kapital der Zukunft bedeutet, für diesen Sport zu interessieren, an ihn heranzuführen und ihr Potenzial zu entwickeln und zu fördern.

Vielen Dank. Die Touch wünscht Ihnen viel Erfolg für Ihre neue Aufgabe. Zum Abschluss noch eine Frage: Spielen Sie selbst Billard oder haben Sie früher Billard gespielt? Und welche Disziplin? Ich spiele selbst nicht Billard und habe es auch früher nicht gespielt. Insoweit bin ich völlig unbefangen gegenüber der Vielfalt dieser Sportart; mir sind alle Sparten und Disziplinen gleich wichtig, da sie in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zur Attraktivität des Billardsports beitragen.
(Fotos: Helga Ackermann)
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